Harry Potter wird politisch - Filmkritik zu HP5 der BZ
In Tagen wo auch der deutsche Innenminister Wolfgang Schäuble sich ein deutsches Guantanamo wünscht und neben der Aufgabe Streichung aller Grundrechte auf Verdacht auch die Tötung von Verdächtigen fordert, in Zeiten der Kritik an amerikanischen Folterungen, kommt dieser Film ins Kino, der mit seiner Darstellung der Zauberregierung hochpolitisch wird - das ist auch der Berliner Zeitung aufgefallen: (...)
Es ist was faul im Staate der Magier. In "Harry Potter und der Orden des Phönix", dem mittlerweile fünften "Potter"-Film, geht es sogleich um den äußersten Ernst des Lebens - den Tod. Harry ist so einsam wie jeder, der dem Tod unmittelbar begegnet ist, ihm in die leeren Augenhöhlen geschaut und seine Kälte gespürt hat. Es ist eine Erfahrung, über die sich schlecht sprechen lässt und über die auch nicht gern gesprochen wird. So sind denn auch Verdrängung, Leugnung und die Verfälschung der Wahrheit wesentliche Themen des Films - und zwar weniger auf einer privaten als auf einer politischen Ebene.
Harrys Kampf mit dem schrecklichen Lord Voldemort und die Ermordung seines Mitschülers Cedric, wie sie der Vorgängerfilm beschrieb, werden jetzt nämlich von einflussreichen Erwachsenen bagatellisiert oder gar totgeschwiegen, und Harry selbst soll durch die Prozessdrohung eingeschüchtert werden. Mit Potters Erlebnissen wird hier nicht weniger als die Realität der Vergangenheit angezweifelt und der Held damit in größte Selbstzweifel gestürzt. Die Wirren der Pubertät sind also nur ein Problem für Harry, Ron, Hermine und die anderen. Ein größeres ist eben die Politik.
Denn der Staat mischt sich plötzlich massiv ein in Hogwarts - das ist das Generalthema von "Harry Potter und der Orden des Phönix": In einstigen Schutzräumen versuchen seine Vertreter den Überwachungsstaat zu etablieren. So die neue Professorin für die Verteidigung gegen die dunklen Künste: Dolores Umbridge ist eine totalitäre Bürokratin, die jede noch so legitime Frage als Ketzerei auffasst. Die famose Imelda Staunton (die Darstellerin der "Vera Drake") spielt diese Frau als sadistisches Monster in Pink, stets falsch lächelnd, andere unaufhörlich manipulierend. Umbridges Unterricht soll keineswegs das selbstständige Denken fördern, im Gegenteil: Er zielt auf unbedingte Anpassung. Wer dieser Professorin widerspricht, ist automatisch ein gefährliches Element und verdient Strafe, am besten Folter. Das ist ein brisanter Aspekt in einer Filmreihe, die letztlich eine allgemeine Zurichtung hin auf den großen Krieg zwischen guten und bösen Mächten beschreibt. In "Harry Potter und der Orden des Phoenix" wird das besonders deutlich.
Fast ist es so, als würde in der Kunstwelt dieses Films verhandelt, wie weit man tatsächlich gehen darf, um die innere Sicherheit zu schützen. Zunächst wird um das Monopol auf Recht und Wahrheit gekämpft. Auch der "Tagesprophet" rückt mit Harry und dem Hogwarts-Direktor Dumbledore stetig die Guten ins Zwielicht. Das geschieht nicht ohne Grund und Ziel; dagegen muss etwas getan werden. Während das Ministerium für Zauberei rigide überwacht und straft und während Voldemort insgeheim längst eine Armee rekrutiert, trifft sich der Geheimbund "Orden des Phönix", um die Gerechten zu wappnen für die Schlacht. Gegründet wurde er von der guten Elterngeneration; deren Kinder müssen sich nun des Erbes würdig erweisen. Und das tun sie: Unter Anleitung von Harry - und immer auf der Hut vor Dolores Umbridge - trainieren sie wacker ihre Wehrfähigkeit. Aber diese kleine Untergrundarmee hat Harry zufolge ja auch "etwas, wofür zu kämpfen sich lohnt."
Der relativ unbekannte David Yates hat Regie geführt; erfolgreich war er vor allem beim Fernsehen (u. a. "The Sins") - dies ist sein erster Großfilm. Yates hat den schwierigen Job gut erledigt und die Erwachsenenwelt im Film aufgewertet. Als besondere Attraktion von "Harry Potter und der Orden des Phoenix" werden jene zwanzig Minuten beworben, die eigens auf Imax-3D-Format konvertiert wurden: ein Showdown mit Voldemort in der geheimen Mysteriumsabteilung - überhaupt ist das ein hübsches Wortspiel, auch geeignet für die deutsche Politik. Wenn aber gerade kein Imax-Kino in der Nähe ist, tut es auch ein schlichtes Multiplex. (...) [ Quelle BZ ] [ So kommentierst du ] - Dein Kommentar: