Taschenbuch-Ausgaben von Band 7 gibt es in China nur drei Tage nach dem Erscheinen des Originals Peking - Drei Tage nach der Weltpremiere von Harry Potter waren die Chinesen die Schnellsten. In Pekings San Litun-Distrikt stapelten sich Dienstag früh die neuen Bände erstmals in der billigen Taschenbuchausgabe zu 100 Yuan (zehn Euro). Der war noch verhandelbar. Sieben Euro reichten auch.
Einziger Schönheitsfehler: Es war eine Raubkopie. Buchhändlerin Cao Jingliang, die in Chinas Im- und Exportgesellschaft für die Einfuhr der Harry-Potter-Abenteuer verantwortlich ist, ärgerte sich. Es gibt keine Soft-Cover Ausgaben. "Wir haben nur die britische und amerikanische Hardcoverausgabe eingeführt."
Eben. Chinas Raubkopierer druckten Harry Potter in Windeseile im Taschenbuch-Format nach. Der ältere Chinese, der die in Plastik verpackten Bände verkaufte und selbst kein Englisch konnte, wusste zwar nicht, wo die Bücher herkamen. Aber er versicherte, dass sie nicht nur gute Qualität, sondern auch "wan cheng", ganz und gar vollständig, seien. Das stimmte: Im Vergleich deutlich schlechtere Ausgaben mit blasser Schrift und pappigem Umschlag wurden ein paar Ecken weiter angeboten. Bei den besseren Kopien hatten sich die Fälscher nicht nur um ein anständiges Schriftbild und glänzenden Umschlag bemüht. Sogar das Impressum des US-Verlags mit seiner Warnung gegen Kopierer war nachgedruckt und der Hinweis, dass umweltfreundliches Papier verwendet wurde. Hoffentlich stimmte das wenigstens.
Dass Romane in Englisch in China kopiert werden, ist eigentlich ein Lob für die weltweite Anziehungskraft des Harry Potter. Der Markt für sein neuestes Abenteuer ist im Reich der Mitte so groß, dass es sich für Fälscher lohnt, den in seiner US-Ausgabe immerhin auf 760 Seiten kommenden Wälzer nachzudrucken. Selbst die Nachfrage nach den teuren echten Ausgaben ist für ein fremdsprachiges Buch enorm, bestätigt Cao Jingliang: "Wir haben von der Originalausgabe in Peking am ersten Tag 6000 Bücher verkauft." In der britischen Originaledition kostet Harry Potter in Pekings Buchgeschäften 208 Yuan (20 Euro). Die US-Ausgabe kommt auf 218 Yuan. Insgesamt seien für China 100.000 Bücher geordert worden, von denen 38.000 in Peking und 20.000 nach Schanghai ausgeliefert wurden.
Das ist ein beachtliches Geschäft. Selbst die Post vertreibt echte Harry Potter über ihre Zeitungshäuschen. Fünf Bücher bekam etwa der Zeitungsstand an der Gongti Beilu-Straße, wo viele Schulkinder vorbeikommen. "Die haben solange gequengelt, bis ihnen die Eltern das Buch für 208 Yuan kauften", sagt die Zeitungshändlerin. Obwohl "die noch gar nicht viel Englisch können". Harry Potter ist ein Bestseller. Von seinen bisher sechs Folgen wurden in chinesischer Übersetzung offiziell zehn Millionen Bände verkauft. Wie viele Raubkopien umgesetzt wurden, lässt sich nicht einmal abschätzen. Doch der Schaden ist immens.
Schon vor vier Jahren waren Harry Potters Abenteuer so beliebt, dass chinesische Fälscher und illegale Verlage ihre eigenen Folgen erfanden. (Der TP-NACHT berichtete) Sie nutzten aus, dass sich die britische Autorin Rowling bei Band fünf zu lange Zeit ließ. So schrieben und veröffentlichten sie falsche Harry Potter-Fortsetzungsgeschichten unter Frau Rowlings Namen. In China erschienen damals hintereinander Band sechs bis acht. Die echte Autorin Rowling brachte es bisher nur auf sieben Bände.