Irrtümer der Muggel
In der heutigen Unterrichtsstunde erzähle ich euch ein wenig über die bemerkenswerte Eigenschaft der Muggel, für alles eine Erklärung finden zu müssen, und sei diese noch so sehr an den Haaren
herbeigezogen. Selbst wenn man direkt vor ihren Augen zaubert, glauben sie dennoch lieber an doppelte Böden und andere Tricks, als die Existenz der Magie zu akzeptieren. Sehr häufig werden sogenannte Naturphänomene
zur Erklärung herangezogen, was ich euch anhand einiger bemerkenswerter Beispiele erläutern werde.
Besonders interessant finde ich die Idee, die sich die Muggel zur Erklärung der Existenz von Drachen haben einfallen lassen. Jeder vernünftige Zauberer würde beim Anblick eines Drachen einfach seinen Augen trauen,
nicht aber die Muggel. Stattdessen erfinden sie eine komplizierte Theorie über Wesen namens Dinosaurier, denen sie noch viel kompliziertere Namen geben. Darüber hinaus sind diese Tiere angeblich
ausgestorben. Ich kann euch aber versichern, dass der Ungarische Hornschwanz, dem ich während meiner letzten Reise begegnete, durchaus lebendig war. Seht ihr das Brandloch hier in
meinem Zauberumhang? Das war wirklich äußerst knapp! Zum Glück leben die meisten Drachen allerdings in Gegenden, in die sich kaum je ein Muggel verirrt, sodass beide nur sehr selten aufeinander treffen.
Leider gilt das nicht für ein anderes Wesen, das
Unwissende oft mit einer Seeschlange verwechseln. Die Rede ist hier natürlich vom größten Kelpie der Welt, das im schottischen See Loch Ness lebt. Dieser Wasserdämon war im Mittelalter der Assistent eines
fahrenden Zauberes. Seit dieser Zeit macht er sich einen Spass daraus, ahnungslose Muggel zu narren und wenn möglich zu erschrecken. Schon seit Jahren versuchen Muggel-Forschergruppe, das Kelpie zu
fangen. Bisher allerdings ohne Erfolg, und ich bezweifle, dass ihnen das jemals gelingen wird, da ein Kelpie nach Belieben seine Gestalt wechseln kann.
Jeder von euch hat sicher schon öfters das Flohnetzwerk benutzt. Diese Art des Reisens ist allerdings auf Häuser mit Kaminen beschränkt. Deshalb benutzen Hexen und Zauberer, die in abgelegenen Landstrichen leben, ein sogenanntes
netzunabhängiges Flohpulver. Dieses spezielle Flohpulver erzeugt einen sich drehenden, wandernden Kaminschlauch, wodurch man bequem an jeden Ort der Welt
gelangen kann. Es läßt sich nicht vermeiden, dass auch Muggel hin und wieder einen Kaminschlauch entdecken, allerdings halten sie ihn für ein
Wetterphänomen. Sie haben dafür viele Namen erfunden wie beispielsweise Windhose, Tornado, Hurrikan, Twister oder Taifun. Wenn ihr also das nächste Mal von einem
Tornado hört, dann wißt ihr, dass das nur ein Zauberer auf Reisen war.
Neben Flohpulver und Besen gibt es noch eine weitere Form des Reisens, die vor allem für weitere Strecken geeignet ist: Fliegende Teppiche. Diese runden Bettvorleger bestehen
aus einem leichten, aber sehr tragfähigen Gewebe aus Silberfasern, in das zur Verbesserung der Flugeigenschaften Einhornhaar eingewoben wird. Dadurch sehen die fliegenden
Teppiche wie metallische Scheiben aus. Da die Muggel bis heute keine logische Erklärung für diese Flugobjekte finden konnten, bezeichnen sie die fliegenden Teppiche
normalerweise als UFOs („Unidentifizierte fliegende Objekte).
Genausowenig wie Kaminschläuche und fliegende Teppiche lassen sich die in unregelmäßigen Abständen abgehaltenen Tanzfeste der Riesen vor den Muggel verheimlichen, denn schließlich
hat das durchaus gewisse Auswirkungen, wenn hunderte Riesen gemeinsam auf und ab springen. Solltet ihr es noch nicht selbst erlebt haben, so könnt ihr euch das sicher vorstellen. Auch hier haben die Muggel ein
Naturphänomen zur Erklärung dieser Erdstöße erfunden. Sie reden von Erdbeben, die angeblich durch das Zusammenstoßen von Erdplatten verursacht werden.
Wie ihr wißt, müssen alle Zauberschulen mit Hilfe von Unsichtbarkeits- und Versteckzaubern vor den Augen der Muggel verborgen bleiben. Besonders faszinierend
ist der Zauber, mit dessen Hilfe das mitten in der Sahara gelegene Internat verborgen wird. Der Spruch „Fatamorganata!“ bewirkt, dass sich ein alles reflektierendes Schutzschild wie
eine Kuppel über die gesamte Anlage spannt. Dieser Zauberspruch dürfte einst auch von
Muggeln aufgeschnappt worden sein, denn seither nennen sie den Schutzschild Fata Morgana und halten ihn für eine Luftspiegelung.
Wie ich bereits zu Beginn der heutigen Stunde erwähnt habe, lassen sich moderne Muggel bereitwillig täuschen. Natürlich gibt es immer wieder Ausnahmen. Solltet ihr
also als Hexen und Zauberer erkannt werden, benutzt ihr einen einfachen Gedächtniszauber. Dadurch kann sich kein Muggel mehr an den Vorfall
erinnern. In besonders schwierigen Fällen solltet ihr euch an das Amt für Desinformation wenden, eine Unterabteilung des Zaubereiministeriums. Dort findet ihr Spezialisten, die so
ziemlich jede Zauberei verschleiern können. Ich möchte an dieser Stelle nur an den Vorfall im Jahre 1347 erinnern, als ein ausgewachsener Hippogreif einen Turm in der italienischen
Stadt Pisa als Kratzbaum benutzte. Durch einen gezielt eingesetzten Verwirrzauber konnte die gesamte Bevölkerung innerhalb kürzester Zeit davon überzeugt werden, dass ein
angeblich zu wenig tragfähiger Untergrund an der Schieflage ihres Turms schuld sei.
|