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Harry Potter und der glanzlose Glum

(von Malte Weber)

8. Entscheidung am Slieve League

 

Schon stundenlang waren Harry und Hermine im Schneckentempo auf dem One Man’s Pass am Slieve League unterwegs, immer nur hin und her zwischen den beiden großen Wegabschnitten, die mit glanzlosem Glum präpariert waren. Auch die anderen Kämpfer hatten sich postiert. Dumbledore hatte einen Vollmond heraufbeschworen, keinen richtigen, aber eine kleine silberne kugel reichte bereits: Zusammen mit dem Gegentrank zu jenem, den Snape ihm während Harry’ s drittem Schuljahr in Hogwarts gebraut hatte, wurde Remus Lupin zum menschlichen Wolf.

Alle warteten auf ihren Positionen, nur Harry und Hermine gingen symbolisch auf dem schmalen, felsigen Pfad. Doch weit und breit war nichts von Voldemorts Anhängern zu sehen. Die beiden setzten sich auf einen kleinen Felsbrocken am Wegesrand, um sich von ihrem theatralischen Marsch zu erholen. Urplötzlich erschien da am Himmel über ihnen das Dunkle Mal, Voldemorts Zeichen. Und da kamen sie auch: Zwanzig Todesser, maskiert wie Harry sie bereits schon einmal am Grab von Voldemorts Vater gesehen hatte. Hermine und Harry waren starr vor Angst, doch sie bemühten sich, vorsichtig und ohne zuviel Hast in die entgegengesetzte Richtung davon zu weichen. Die Maskierten folgten ihnen auf dem schmalen Felskamm.

Doch während sich die Falle langsam zuzog und die Anhänger Voldemorts fast alle schon im Bereich des glanzlosen Glums waren, geschah etwas Unvorhergesehenes: Unbemerkt von Remus Lupin und Sirius Black tauchten in ihrem Rücken eine ganze Armee von etwa zweihundertfünfzig Dementoren auf, die langsam näher kamen. Cornelius Fudge hatte sie losgeschickt, weil Dumbledore ihm hatte erzählen müssen, warum einige Hogwarts-Schüler während der Ferien von den allgemeingültigen Regeln ausgenommen werden sollten. Dumbledore hatte dem Zaubereiminister die Anwesenheit eines Werwolfes und eines wegen Mordes verurteilten nicht gemeldeter Animagus‘ verschwiegen und Fudge hatte dem Schulleiter gegenüber nicht die Unterstützung durch einen Dementorentrupp erwähnt.

Kaum waren die zwanzig Gegner im glanzlosen Glum gebunden, da verwandelten sich Moony und Tatze in Remus Lupin und Sirius Black und mit einem vielstimmigen „Expelliarmus!“ entwaffneten fünf der sechs anwesenden Kämpfer den Trupp der Todesser. Die Dementoren aber stürzten sich augenblicklich auf den Werwolf und den Animagus.  Doch Harry hatte das Herannahen der Dementoren gespürt und sich instinktiv umgewandt. Mit einem energischen „Expecto Patronum!“ beschwor Harry einen gewaltigen Hirsch-Patron aus der Spitze seines Zauberstabs an den Himmel. Doch er konnte die vielen Dementoren nur lähmen, aber nicht zurückjagen. Und soweit von Hogwarts enfernt hatte auch Albus Dumbledore nicht ausreichend Autorität gegenüber den Dementoren. Remus Lupin und Sirius Black wurden immer schwächer unter dem kräftezehrenden Einfluss der Dementoren. Doch am Horizont nahte bereits Hilfe. Ron, Fred und George ritten auf den Hippogreifen im schnellstmöglichen Tempo.

Hermine und Arabella Figg handelten entschlossen und sammelten mit „Accio Zauberstäbe!“ die auf dem Boden liegenden Zauberstäbe ein. Zeitgleich beförderte Dumbledore alle zwanzig Gegner mit einem „Atlanticus!“ in die kalten Wellen des Ozeans, wo sie ohnmächtig zwischen den Schaumkronen trieben. Allmählich schwanden aber auch Harrys Kräfte. Im rechten Moment erreichte die von den Weasleys gelenkte Schwarmherde von Hippogreifen die ausgezehrten Kämpfer, um sich mit ihnen wieder in Richtung Inishowen zu wenden.

„Ihr seid gerade noch rechtzeitig gekommen“, keuchte Harry den Rettern in der Not zu. Ron und die Zwillinge griffen in die mähnigen Gefieder der Hippogreife, damit sich die Fallensteller auf die kräftigen Tiere sichern konnten. Als erstes sprangen Remus Lupin und Sirius Black auf die breiten Rücken zwei kastanienbrauner Hippogreife, anschließend machten sich auch Hermine und Arabella Figg auf den Weg in die Lüfte. Harry und Dumbledore blickten sich an, nickten sich zu und schwangen sich ebenfalls auf die Rücken zweier Hippogreife. Quer über die karge, dünn besiedelte Landschaft Donegals ritten sie gemeinsam in Richtung Inishowen, wo Kathleens Isle derzeit lag.

„Wie habt Ihr uns gefunden?“, wollte Harry von Ron wissen, als sie an Höhe gewonnen und ein bisschen Luft geholt hatten.

„Fred, George und ich sind von zuhause abgehauen und zur Küste getrampt“, begann Ron seine Geschichte. „Von dort aus sind wir mit einer Motoryacht direkt nach Kathleens Isle, wo wir die Hippogreife gefunden haben. Und weil Dein Spickoskop wie wild rumgefiept hat, sind wir gleich mit den Hippogreifen weiter, um Euch zu suchen.“

„Aber woher hattet Ihr die Motoryacht?“, fragte Hermine verdutzt, die dem Gespräch zugehört hatte.

„Die hat uns Ludo Bagman freundlicherweise ausgeliehen“, rief George grinsend herüber. Bevor sie sich weiter unterhalten konnten, neigten sich die Hippogreife auch schon zum Sinkflug.

Als sie auf dem Hof von Kathleens Isle landeten, stapfte ihnen Hagrid entgegen.

„Ich hab’s, Harry!“, rief er freudestrahlend und winkte Harry mit einer kleinen Schachtel entgegen. „Dies‘ Metallstück is‘ gegen den Gedankenklau. Ich hab’s aus Europa besorgt.“ Doch Harry interessierte nun, da das Gespräch mit Ron unterbrochen war, etwas anderes viel brennender.

„Sind Aidan Lynch und Mudungus Fletcher zurück?“

Hagrid nickte und deutete in Richtung Wohnraum. „Sind drin‘ und kümmern sich um den Kamin.“ Harry stürmte ins Haus.

„Was ist mit Cho?“, fragte er die beiden atemlos, die gerade dabei waren, neues Kaminholz auf das Feuer zu legen.

„Ihre Eltern waren froh, sie wieder zu sehen - sie hatten sich große Sorgen gemacht“, sagte Mudungus Fletcher, blickte auf und sah in Harrys verschwitztes Gesicht. „Sie lässt Euch alle grüßen und Dich besonders, Harry. Aber sie war zu erschöpft, als dass wir sie noch hätten mit her nehmen können.“ Harry stand wie angewurzelt und brachte kein Wort heraus. Langsam ging er schließlich hinaus.

„Harry, soll ich Dir vielleicht ma‘ die Highlands in Schottland zeigen?“, lud ihn Hagrid ein, kaum hatte er das Haus wieder verlassen.

„Sollst Du nicht für Dumbledore woanders hin?“, fragte Harry überrascht.

„Olympe weiß immer noch nich‘, ob sie wirklich mitkommen will.“ Hagrid seufzte. „Deshalb hat mir Dumbledore noch ´ne Woche Zeit gegeben, bevor ich los muss. Meinte, die Ankündigung meines Besuchs reicht erstma‘ aus. Großartiger Mann, Dumbledore.“

Harry freute sich über das Angebot, zumal er sich bereits dachte, dass Hagrid nicht einfach bloß so in die Highlands reisen würde. Außerdem würde ihn der Ausflug von anderem ablenken würde. Harry hatte das Gefühl, dass sich Hagrid so etwas ebenfalls gedacht hatte, als er ihn einlud nach Schottland mitzukommen.

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